TRAFFIC
2019
Baumwollstoff, Wachsbatik, PVC Seil, Stahl, Rollen
Maße variabel
Einzelausstellung im Kunstpavillon München im Alten Botanischen Garten
Anne Seiler zeigt vom 31. Mai bis 16. Juni im Kunstpavillon im Alten Botanischen Garten unter dem Ausstellungstitel „traffic“ Arbeiten, die sich mit Mode als Ergebnis globaler Transformationsprozesse beschäftigen. Mit der handwerklichen Aneignung eines industrialisierten Wachsbatikverfahrens vervielfältigt Seiler Logos und Muster bekannter High Fashion Marken, die sich ihrerseits immer wieder ethnografische Elemente für ihre Modelinien aneignen. In despektierlichem Umgang mit dem Original entstehen so in einem aufwändigen Verfahren „schlechte Fälschungen“. Diese zeichnen globale Warenkreisläufe und Appropriationen nach, können aber ebenso als Kritik an einem omnipräsenten Hype um Marken verstanden werden, der sich - wie der Titel der Ausstellung bereits anzeigt - nicht selten auf dem Schwarzmarkt manifestiert.
Der Kunstpavillon wird von Anne Seiler in seiner gesamten tempelhaft-anmutenden Erscheinung in das Ausstellungskonzept einbezogen. Die oftmals schutz- und schonungslose Realität des Alten Botanischen Gartens wird durch die Inszenierung eines vermeintlichen Modetempels in Anlehnung an neue Strategien von Modefirmen, die ihre Stores als neoliberale Tempel mit unauffälliger Erscheinung nach Außen zelebrieren, kontrastiert. Ein an Sponsorenplakate erinnernder Stoffbanner an der Außenwand versammelt Logos von Modelabels, auf deren Designs in der im Pavillon zu sehenden Installation Bezug genommen wird. In seiner augenscheinlich händischen Ausführung deutet dieser Banner bereits auf einen Kreislauf von Aneignung und Fake hin. Die Wachsbatiktechnik, auf die Anne Seiler zurückgreift, verweist bewusst auf das historisch-koloniale Verhältnis globalen Handels. Die niederländische Firma Vlisco verwendet seit 1880 das ursprünglich von der indonesischen Insel Java stammende Färbeverfahren in Europa. Die in dieser Technik angefertigten Waxprints wurden und werden hauptsächlich für den afrikanischen Markt produziert. Die vermeintlich „typisch afrikanischen“ Motive wurden wiederum in letzter Zeit vermehrt von High Fashion Marken aufgegriffen.
Beim Betreten des Pavillons zeigen sich Textilien im Zwischenstadium zwischen Material und Produkt, inszeniert wie in einem befremdlich leer wirkenden Modehaus. So versammeln sich an der gegenüberliegenden Wand große gefärbte Stoffbahnen, die Designs und Logos von Modehäusern wie Luis Vuitton, Vetements oder Burberry aufgreifen. Neben diesem in einer Seilkonstruktion gehängten Arrangement befinden sich zwei große, in Schieflage geratene mobile Kleiderständer im Raum. Zu einer Seite gekippt hängen an der Kleiderstange in T-Shirt Form ausgeschnittene Stoffteile. Sie erinnern an Schnittmuster und damit an einen Zwischenschritt eines textilen Produktionsprozesses. Die in ihrer Einschichtigkeit dysfunktionalen Elemente sind durch das Wachs des Herstellungsprozesses ausgesteift, so imitieren sie ganz ohne Kleiderbügel hängend eine vermeintliche Funktionalität. An dem zweiten, ebenfalls aus dem Lot geratenen Kleiderständer, sind aus gefärbten Stoffen aufwendig gefertigte Kapuzen gehängt. Sie entsprechen am meisten der Idee eines funktionalen Kleidungsstücks, verbleiben jedoch zwischen stylischem Accessoire und Tarnkappe.
Frauke Zabel